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Brutales Einfahren laut Lastauto und Omnibus (TTT-Technik, Tipps und Tricks)

Bimboo, (vor 8244 Tagen) @ Thomas


Als Antwort auf: Sanftes oder brutales Einfahren von Thomas am 23. Dezember 2002 11:44:00:

x1/13367.htm
Also erst mal vorneweg, ich verdiene derzeit meine Brötchen in der Einspritzsystementwicklung für Großdieselmotoren (Schiff und so). Mit Verbrennungsmotoren hab' ich deswegen nur periphär (über die Kunden) zu tun. Aber wir haben in unseren Pumpen - abgesehen von der thermischen Belastung - vergleichbare Lagerbelastungen wie im Motor. Und die Common-Rail-Pumpe die ich gerade entwickle hat schon die Dimensionen eines kleinen LKW-Motors...

Wegen der Lager stehe ich deswegen in enger Zusammenarbeit mit der Fa. Wieland in Ulm, die Erstausstatter und Entwicklungspartner für eine ganze Reihe von Motorenbauer ist. Ein möglicher Vorzug von "brutalem" Einfahren müßte denen also bekannt sein - ist es aber bislang nicht.
Wieland spricht vom notwendigen Aufbau einer "Tribo-Reaktionsschicht" auf der Lageroberfläche, die ca. 20 bis 40 Stunden dauert (bedeutet im PKW-Bereich eine Einfahrstrecke von 1000 bis 2000 km). Und erst danach ist das Lager voll belastbar. Die Aussagen von Wieland widersprechen also dem Vorzug eines brutalen Einfahrens, meine (weniger repräsentativen ;-) ) Prüfstandsversuche ebenfalls.

Aber mal zu diesem Artikel in Lastauto und Omnibus, den mir Thomas zugemailt hat. Es sind interessante Informationen, die darin stehen. Aber vom wissenschaftlichen, sachlichen Aspekt her gibt der Bericht wenig her (muß er auch nicht, die Zeitschrift ist für Anwender mit weniger detailierter Sachkenntnis von Tribologiesystemen gedacht). Und was ich total vermisse ist: Wo genau liegen die Nachteile vom "sanften" Einfahren? Da gibt es ein schönes Diagramm, das den Verschleißverlauf von "brutalem" gegenüber "sanftem" darstellt ("brutale" Kurve steigt steil an, und geht dann relativ bald in einen statischen Bereich über; "sanfte" Kurve steigt weniger steil an, erreicht aber keinen statischen Verlauf). Das Diagramm wird aber nicht begründet.
Leider auch keine Silbe, warum das "Veredeln" der Oberfläche nur die ersten paar tausend Kilometer stattfinden könne.
Es heißt, bei "sanfter" Einfahrmethode fände kein ausreichender Energieeintrag für die "Tribomutation" ("Veredelung" der Oberfläche durch Betrieb) statt. Und dabei wird ignoriert, daß eben diese nötige Belastung <i>nach</i> dem Einfahren durchaus zustandekommt.
Der Bericht geht auch von einer hochpräzisen Fertigung der Einzelteile aus. Der Präzisionsgrad, den wir in der Einspritztechnik haben, wird von der Automotorfertigung lange noch nicht erreicht. Und trotzdem müssen wir "sanft" einfahren. Und trotz hochpräziser Fertigung gibt es noch Toleranzen im Bauteildesign, und trotz höchster Präzision kann man Toleranzketten nie vollkommen ausschließen, die temperaturbedingten Materialveränderungen (Ausdehnung, Innenspannung) sowieso nicht. Und gerade letzteres ist das, was sanftes Einfahren auch heute noch erforderlich macht und brutales Einfahren zum Fresser-Risiko werden läßt (wir haben Fälle, in denen Lagermessing mit Edelstahl reibverschweißt (!) ist - Fressergefahr läßt sich also trotz sorgfältigster Materialauswahl nicht 100%ig ausschließen).

<i>Dieser</i> Bericht ist deswegen leider wenig hilfreich, weil für ein weniger fachspezifisches Publikum zu sehr weichgewaschen. Und die Argumente für das "brutale" Einfahren wurden nur dadurch erreicht, daß die Argumente fürs "sanfte" Einfahren ausgeklammert wurden.

Ich versuch' mal, an die echten Untersuchungsergebnisse von Fuchs (ist ja zum Glück auch unser Öllieferant :-) ) und IAVF heranzukommen, sobald ich wieder im Büro bin. Dürfte relativ leicht machbar sein, da auch "berufliches" Interesse besteht ;-) Und mit dem Lastauto-Artikel und dem IAVF-Bericht die Wieland-Jungs (meinetwegen auch Kolbenschmitt, Mahle, SKF / INA - man darf seine Kontakte ja nutzen) löchern, was sie konkret dazu meinen.

Einstweilen sehe ich den Vorteil vom sanften Einfahren nicht entkräftet.

Thomas, reicht das für's erste? ;-)
x1/13367.htm


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