Als Antwort auf: Das kann ich nicht glauben... von Markus am 21. Mai 2002 15:49:06:
Hi Markus,
ich habe zuerst auch so meine Zweifel gehabt, ist aber wirklich so.
...bei max. Druck auf kaltem Reifen bleibt keine Sicherheitsreserve wenn der Reifen sich bei langer Fahrt erwärmt und dadurch natürlich der Druck steigt! D.H. der max. zul. Reifendruck würde überschritten.
Nee, stimmt nicht, weil der Reifendruck immer (!) bei "kaltem" Reifen kontrolliert bzw. eingestellt werden soll, und der Druckanstieg durch die Walkwärme von den Reifenentwicklern mit einkalkuliert sind. Zudem hat der Reifen sehr viel "Druckreserven". Auch ein bar über Max.Druck kann ein Reifen lange aushalten. Dieser Überdruck ist eine weit geringere Belastung für den Reifen, als bei Topspeed auf der Autobahn über eine Betonfuge zu donnern. Wie gesagt, die Reifenhersteller kalkulieren das alles mit ein bei der Entwicklung, und erproben dann alles mögliche (und unmögliche) im Fahrversuch.
Ausserdem wird die Kontaktfläche zur Fahrbahn bei höherem Druck geringer, so dass die Bremseigenschaften und der Fahrbahnkontakt sowie der Verschleiss sicher schlechter werden.
Sorry, muß Dir wieder widersprechen. Früher hatten die Reifen eine recht geringe Formstabilität gegenüber dem Reifendruck, aber die modernen Reifen ändern ihren Querschnitt so gut wie gar nicht mehr (ist bei den heute möglichen Geschwindigkeiten und verfügbaren Niederquerschnittsreifen auch dringend geboten). Die Fliehkräfte sind auch ein erheblicher Faktor für die Querschnittsverformung, aber selbst die bewirken kaum noch was.
Und durch diese Formstabilität verringert sich die Kontaktfläche zur Fahrbahn nur marginal. Von daher keine Nachteile. Die Walkarbeit verringert sich aber deutlich, und damit auch die entstehende Walkwärme und der Verschleiß. Könnte das schon näher erläutern, würde aber weit ausufern und wohl manche langweilen. Deswegen bei Bedarf näheres per PM.
Tja, und das Bremsen: Rund 80% der Bremsleistung wird durch die Vorderräder erbracht. Und die bekommen durch die Bremsdynamik einiges mehr an Last ab als bei normaler Fahrt oder Beladung. Ein nach Auto-Betriebsanleitung aufgepumpter Reifen stülpt bei dieser Belastung seine Lauffläche nach innen und bremst nur mit dem Rand der Lauffläche. Sieht man so schön auf der Straße: Die Bremsspuren, die eigentlich nur zwei dünne, ein paar cm parallel zueinander verlaufende schwarze Striche sind. Dazwischen allenfalls leicht grau. Bei max. zulässigem Reifendruck kann sich die Lauffläche nicht nach innen stülpen, und deswegen steht die gesamte Kontaktfläche für die Bremsleistung zur Verfügung. Und es gibt eine breite, gleichmäßig geschwärzte Bremsspur (sieht man so fast immer bei LKW-Bremsspuren, weil die generell mit max.Reifendruck fahren).
Konkrete Versuche haben ergeben:
- Dasselbe Fahrzeug, dieselben Reifen, dieselbe Fahrbahnbeschaffenheit (trocken, sauber, griffig).
- Vollbremsung aus Ausgangstempo 100 km/h.
- Untersuchte Reifendrücke: 2,5 bar (Bedienungsanleitung), 3,5 bar (Reifenangabe), 4,0 bar.
Der Bremsweg mit 2,5 bar war fast 2m länger als der mit 3,5 bar!
Der Bremsweg mit 4 bar war ca. 10cm länger als mit 3,5 bar. Und das bei optimalen Straßenbedingungen! Bei schlechte(re)n Fahrbahnbedingungen kann das noch einiges mehr werden, und ein um 2m zu langer Bremsweg kann wirklich saftigen Schaden anrichten.
Als Fazit würde ich sagen, wenn schon extrem erhöhter Druck, dann auf keinen Fall höher als der Wert, der für maximale Beladung des Fahrzeugs angegeben ist. Dann hat man noch Sicherheitsreserven bei warmem Reifen.
Kann ich als Deine Meinung stehen lassen. Ist aber technisch nicht zutreffend, siehe oben.
Ich habe mich darüber lange mit einem (unabhängigen) KFZ-Meister unterhalten.
Ist eigentlich eine gute Informationsquelle, aber (wenn ich das so sagen darf) "konservativ". Daß man von einem KFZ-Meister aktuelles Wissen erwarten darf, davon kann man nicht generell ausgehen. Und ich habe das erlebt: Die Meister, die noch wirklich Kraftfahrzeugtechnik kennen und beherrschen, sind die alten Hasen die mit Käfer und so groß geworden sind (heutzutage sind es eher "Baugruppenwechsler" - nicht böse gemeint).
Es spielt meiner Meinung nach auch keine nennenswerte Rolle, ob der Meister einer freien oder einer Vertragswerkstatt angehört - die bekommen eigentlich alle ihre Infos vom Autohersteller.
Was die Reifen angeht, ist es besser einen (kompetenten) Reifenhändler zu fragen (ATU und Konsorten kannste getrost ignorieren). Oder, wenn Du mal Glück hast, einen Reifenentwickler auf Erprobungsfahrt erwischen (hat bei mir schon in Bad Hersfeld geklappt ;o). Oder auf Automobilausstellungen die Infostände von Michelin, Pirelli und so abgrasen. Die Schmuckdamen werden Dich (nach den richtigen Fragen ;o) schnell an einen technischen Mitarbeiter weiterverweisen :oD
Wo hast Du deine Informationen her?
Ich bin seit 11 Jahren in der Fahrzeugentwicklung tätig, hauptsächlich im Bereich Versuch und Erprobung. Dazu noch mehrere Fahrsicherheitstrainings, wo u.a. die Bremsversuche mit unterschiedlichem Reifendruck durchgeführt wurden.